Sind Sie zufrieden mit Ihren Beziehungen?
«Soziale Beziehungen sind für unsere geistige und auch für unsere körperliche Gesundheit zentral», sagt Prof. Dr. Urte Scholz, Gesundheitspsychologin an der Universität Zürich. Eine chronische Erkrankung kann jedoch die bestehenden Beziehungen beeinträchtigen. Mit ihren Kursen und begleiteten Ferienreisen bietet die Lungenliga eine gute Möglichkeit, um Menschen kennenzulernen, die in einer ähnlichen Situation sind. Dennoch hat die Lungenliga seit der Corona-Pandemie bei einigen Angeboten mit fehlenden Anmeldungen zu kämpfen.
Aufzufallen braucht Mut
Sie sehe verschiedene Erklärungen für diese Tendenz, sagt Urte Scholz. «Während viele zurück zur Normalität gefunden haben, ist gerade bei Menschen, welche zur Risikogruppe gehören, vielleicht die berechtigte Sorge vor einer Ansteckung bestehen geblieben.» Andere wiederum fühlten sich in Gruppen nur noch mit Schutzmassnahmen wie Masken wohl. «Da heute kaum mehr jemand eine Maske trägt, fallen sie damit auf – was Mut und Überwindung braucht. Da verzichten einige viel-leicht lieber auf gewisse Aktivitäten», so Urte Scholz. Und schliesslich gebe es auch Menschen, welche die Zeit ohne sozialen Stress genossen hätten und nun bewusst weniger unternähmen.
Bedürfnis nach Kontakten ist individuell
Ist das nun eine gute Entwicklung? Eine einfache Antwort darauf gebe es nicht, sagt Urte Scholz. Wie viele Beziehungen jemand brauche, sei individuell. «Manchen Menschen reicht eine ver-traute Person, damit sie sich nicht einsam fühlen. Andere benötigen ein grösseres Umfeld. Wichtig ist, dass man sich wohlfühlt.» Sei dies nicht der Fall, gelte es, herauszufinden, warum jemand unzufrieden sei, sagt Urte Scholz. «Das Bedürfnis nach sozialem Kontakt kann sich auch je nach Lebenssituation verändern. Ab und zu innezuhalten und zu überlegen, ob man zufrieden ist oder lieber mehr oder weniger Sozialleben wünscht, ist deshalb eine gute Idee.»
Scham: Zu zweit ist es einfacher
Meiden Menschen gesellschaftliche Aktivitäten, weil sie sich schämen, eine Maske zu tragen oder ihre Krankheit – beispielsweise mit dem Tragen einer Nasenbrille – sichtbar zu machen, rät Urte Scholz, sich Unterstützung von anderen zu holen. «Mit einer vertrauten Person an der Seite ist es einfacher, sich wohlzufühlen und allfällige komische Blicke zu ignorieren.» Hilfreich können auch Kurse und Erfahrungsaustauschgruppen sein, wie sie die Lungenliga anbietet. «Leute, die in einer ähnlichen Situation sind, kämpfen oft mit denselben Problemen – und haben vielleicht ganz andere Lösungsvorschläge parat.»
Angehörige: eigene Bedürfnisse kommunizieren
Auch für die Angehörigen sei es nicht immer einfach, mit krankheitsbedingten Einschränkungen umzugehen, sagt Urte Scholz. «Haben Angehörige das Bedürfnis nach mehr Kontakten, ist es wichtig, dass sie dies aussprechen.» Hilfreich sei, wenn sie den Betroffenen Unterstützung anböten und sie ermutigten, mitzukommen. «Möchte die erkrankte Person dies aber nicht, ist es besser, einmal allein wegzugehen als Druck auszuüben
oder Vorwürfe zu machen.»