Die Tage werden länger, die Temperaturen steigen und eigentlich wäre es Zeit, den beginnenden Frühling mit ausgiebigen Spaziergängen zu begrüssen, wieder öfter auszugehen oder den Frühlingsputz zu starten. Vielen fehlt dazu aber die Energie, obwohl sie genügend geschlafen haben: Immer wieder klagen Menschen über Frühjahrsmüdigkeit. Doch was steckt hinter diesem Phänomen?
«Die Frühjahrsmüdigkeit ist kaum untersucht, da sie auch nicht als Krankheit definiert ist. Es gibt aber theoretische Überlegungen dazu», sagt Dr. med. Helen Slawik. Sie ist Leiterin des klinischen Schlaflabors und Mitarbeiterin im Zentrum für Chronobiologie an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel und erläutert im Gespräch mögliche Erklärungsansätze.
Früher prägten die Jahreszeiten den Tagesrhythmus viel stärker, als dies heute der Fall ist: Die Menschen passten sich der früh einbrechenden Dunkelheit und den frostigen Temperaturen des Winters an, indem sie länger schliefen, mehr Ruhepausen einlegten und so ihren Grundumsatz reduzierten. Die längeren und wärmeren Tage sowie die vitaminreicheren Speisen im Sommer hingegen kurbelten die Produktivität an.
Umstellung im Hormonhaushalt
Das elektrische Licht sowie die Zeit, die wir in geschlossenen Räumen verbringen, hätten den Einfluss der Jahreszeiten zwar abgeschwächt, sagt Slawik, dieser sei aber nach wie vor spürbar. So fördern die langen Nächte im Winter die Produktion des Schlafhormons Melatonin. Mit dem Übergang zum Frühling stellt sich der Hormonhaushalt um: Die steigende Lichtintensität hemmt die Melatoninproduktion und es wird vermehrt das Hormon Serotonin ausgeschüttet. Diese Umstellung des Organismus könne den Körper ermüden, sagt Slawik. Zudem wecke der beginnende Frühling bei vielen Menschen den Wunsch nach Aktivitäten. Bis sich der Körper dem höheren Tempo angepasst habe, brauche es jedoch einige Zeit. «In dieser Übergangsphase gibt es deshalb oft eine höhere Diskrepanz zwischen der Lust, Gas zu geben, und dem Körper, der hinterherhinkt.»
Licht, Sport und Vitamine
Für Frühjahrsmüde gibt es dennoch eine gute Nachricht: Die Müdigkeit dauert in der Regel nur einige Tage1 und Betroffene können dem Körper auf die Sprünge helfen.
Besonders hilfreich sind Spaziergänge am Morgen. «Das Melatoninsystem ist sehr empfindlich, viel Tageslicht und frische Luft direkt nach dem Aufstehen sind deshalb sehr sinnvoll», so Slawik. Neben Licht und Dunkelheit gebe es aber noch andere sogenannte Zeitgeber, welche den Tagesrhythmus beeinflussten.
So regen frisches Obst und Gemüse den Stoffwechsel an und sowohl sportliche Aktivitäten als auch soziale Kontakte können die Müdigkeit reduzieren.
«Und schliesslich sollten Betroffene in dieser Zeit einfach etwas stärker auf ihre individuellen Bedürfnisse achten.»
1) Ist die Müdigkeit gepaart mit Antriebslosigkeit und Niedergeschlagenheit und dauert länger als zwei Wochen an, dann könnte eine Depression vorliegen. In diesem Fall lohnt sich eine professionelle Abklärung.