Gute Beziehungen fördern die Gesundheit
«Der Mensch ist eine soziale Spezies.Für seine Gesundheit und sein Wohlbefinden ist er auf soziale Kontakte und den Austausch mit anderen angewiesen», sagt Dr. phil. Nicole Bachmann, Gesundheitswissenschaftlerin an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Fehlen die sozialen Kontakte, hat dies Auswirkungen: Gemäss Studien ist bei Menschen mit einer schlechten sozialen Integration das Sterblichkeitsrisiko unabhängig vom aktuellen Gesundheitszustand zwei-bis viermal höher.
Gründe dafür gibt es verschiedene. Schon länger bekannt ist die indirekte Wirkung sozialer Kontakte, etwa auf das Gesundheits- und Risikoverhalten sowie auf psychologische Prozesse. «Personen mit einem guten Umfeld haben einen höheren Selbstwert und eine bessere Selbstwirksamkeit», erklärt Nicole Bachmann. Diese Personen schaffen es demnach eher, gesundheitsschädigende Gewohnheiten wie das Rauchen aufzugeben oder sich zu mehr Sport zu motivieren. Und auch Stresssituationen sind für Personen mit guten Beziehungen einfacher zu meistern. «Neben der emotionalen Unterstützung erhalten sie oft auch praktische Hilfe, die sie entlastet.»
Händchen halten hilft
Zunehmend erforscht wurden in den letzten Jahren auch die direkten biologischen Auswirkungen von zwischenmenschlichen Beziehungen. So wurden beispielsweise in einem Experiment Testpersonen einer bedrohlichen Situation ausgesetzt. Wer die Situation alleine bewältigen musste, zeigte eine starke Stressreaktion, die auf Dauer schädlich für den Organismus wäre.
Von einem schützenden Effekt profitierten hingegen diejenigen Personen, die während der Intervention die Hand eines nahestehenden oder auch eines fremden Menschen halten konnten.
Auch soziale Ausgrenzung löst starke Reaktionen aus, wie ein weiteres Experiment zeigte: Bei einem Ballspiel zu dritt begannen zwei Personen plötzlich, sich den Ball nur noch gegenseitig zuzuwerfen. Dieser Ausschluss erzeugte bei der dritten Person dieselbe Hirnreaktion wie ein starker körperlicher Schmerz. «Heute gilt es als erwiesen, dass das Vorhandensein guter Beziehungen das Immunsystem stärkt sowie den Hormonhaushalt und das Herz-Kreislauf-System positiv beeinflusst», so Nicole Bachmann.
Einsamkeit in der Schweiz?
Als sozial gut integriert gilt, wer mindestens eine Vertrauensperson, einen Kreis von nahen Freunden und/oder Verwandten sowie oberflächliche Bekanntschaften, beispielsweise mit Nachbarn, hat. «Letztere fördern das Gefühl, Teil eines sozialen Systems zu sein. Die Vertrauenspersonen hingegen sind insbesondere bei kritischen Lebensereignissen, etwa einer Erkrankung, essenziell», erklärt Nicole Bachmann.
Im europäischen Vergleich steht die Schweiz in Bezug auf die soziale Integration relativ gut da, noch weniger Einsamkeit empfinden nur die Personen in den skandinavischen Ländern. Grundsätzlich gilt: Je höher der allgemeine Wohlstand, umso besser die soziale Integration der Bevölkerung. Armut hingegen ist der grösste Risikofaktor für soziale Isolation. Bisher habe das Sozialsystem der Schweiz der Verarmung eines Teils der Bevölkerung entgegenwirken können, sagt Nicole Bachmann. Ob das in Zukunft auch so sein wird, sei fraglich. «Auch chronische Krankheiten bergen in der Schweiz zunehmend ein Armutsrisiko.»