«Glück ist stark abhängig von der individuellen Interpretation»
Ein Kribbeln im Bauch, ein Energieschub oder Wärme, die sich wohlig ausbreitet: Glück kann sich ganz unterschiedlich anfühlen. «Es gibt eine ganze Reihe von sogenannten Glückshormonen», sagt Prof. Dr. rer. nat. Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie und Kognitive Neurowissenschaft an der Universität Zürich. «Diese lösen nicht nur momentane Glücksgefühle aus, sondern können auch das Wohlbefinden längerfristig steigern.» Wann sie produziert werden und wie sie wirken, ist jedoch ganz unterschiedlich.
Manche Hormone oder vergleichbare Substanzen liessen sich zwar künstlich verabreichen, sagt Lutz Jäncke. Ganz unproblematisch sei dies jedoch nicht. Mit Amphetaminen etwa lässt sich die Wirkung von Dopamin nachahmen. «Dabei wird jedoch das System gestört. Der Körper bekommt eine Belohnung, ohne sich anzustrengen. Die Suchtgefahr ist deshalb enorm.» Eine andere Schwierigkeit besteht bei der Zugabe von Serotonin, welches in vielen Antidepressiva enthalten ist, oder Oxytocin. «Werden Hormone vom Körper ausgeschüttet, interagieren sie miteinander; eines hemmt ein anderes. Die Wirkung bei einer künstlichen Verabreichung ist deshalb nicht so stark, wie wir es uns wünschen würden.»
Selbst für Glück sorgen
Besser sei es ohnehin, selbst für genügend Glückshormone zu sorgen, so Lutz Jäncke. Zwar sei die eigene Zufriedenheit bis zu einem gewissen Teil genetisch sowie umweltbedingt. «Dennoch kann jeder Mensch sein Leben anders interpretieren und damit selbst positive Empfindungen erzeugen. Glück ist extrem stark abhängig von der individuellen Deutung. Und diese wiederum beeinflusst die Bildung von Hormonen massiv.»
Individualität ausleben
Was genau die Hormonproduktion auf Hochtouren bringt, sei sehr individuell, sagt Dr. Fabian Gander, Oberassistent am Psychologischen Institut der Universität Zürich. «Es gibt jedoch einige Dinge, die fast allen Menschen guttun.» Dies sind:
- Das Erleben von Freude in Situationen, in denen man Spass hat, lacht, geniesst etc.
- Gute und stabile Beziehungen, sowohl freundschaftlicher als auch romantischer Art.
- Eine Tätigkeit, die Sinn gibt. Dies kann von der Kinderbetreuung über ein wohltätiges oder religiöses Engagement bis hin zur Arbeit alles sein.
- Eine Beschäftigung, in welcher man völlig aufgeht. Diesen sogenannten Flow kann man sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit erleben.
- Erfolgserlebnisse, z.B. beim Erreichen eines Ziels im Job oder beim Sport.
Das menschliche Gehirn sei von der Natur für individuelle Interpretationen konstruiert worden, sagt Lutz Jäncke. «Bei der Wahl unserer Beschäftigungen sollten wir uns deshalb nicht zu sehr von anderen Leuten beeinflussen lassen, son-dern vielmehr alles pflegen, was uns ein gutes Gefühl schenkt.»
Verschiedene Hormone beeinflussen unser Wohlbefinden
- Dopamin stärkt den Antrieb und die Motivation. Dieses Hormon wird ausgeschüttet, wenn wir ein Ziel erreicht haben, aber auch bei Lust, sei es sexueller oder anderer Art. Haben wir etwa beim Musikhören Gänsehaut, ist dies in der Regel dem Dopamin geschuldet.
- Serotonin wird oft als Wohlfühlhormon bezeichnet. Es dient dazu, die Grundstimmung zu verbessern. Das Stimmungshormon wird beispielsweise produziert, wenn wir verliebt sind. Bei Menschen, die an Depressionen leiden, ist die Serotoninkonzentration oft zu tief.
- Oxytocin wird gebildet, wenn wir Personen umarmen, die wir mögen, oder wenn Mütter ihre Kinder stillen. Das sogenannte Kuschelhormon stärkt Vertrauen und Bindung und hilft, Stress zu reduzieren.
- Adrenalin und Noradrenalin sind mutspendende Hormone. Sie steigern die Konzentration, erhöhen die Handlungsbereitschaft und sorgen für eine Art positiven Stress.
- Endorphine hemmen die Schmerzwahrnehmung. Wir schütten sie bei extrem anstrengenden Aktivitäten aus, z.B. beim Langlauf oder bei einem Marathon. Zudem stärken die Endorphine das Wohlgefühl und haben einen motivationsfördernden Charakter.
- Phenylethylamin wird im Zusammenhang mit Lustempfinden gebildet. Das Verliebtheitshormon sorgt für das bekannte Bauchkribbeln, hat jedoch einen Nachteil: Je mehr wir davon produzieren, desto weniger gut können wir uns konzentrieren.