«Das war mutig.» Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer beurteilt diese Aussage als positiv. Dies zeigt eine 2018 publizierte Studie der Forschungsstelle sotomo1. Weniger einig ist sich die Bevölkerung hingegen bei der Frage, was denn nun mutig ist. Gemäss der Studie dominieren vier Vorstellungen von Mut:
- 30 Prozent der Befragten finden es mutig, ein Wagnis einzugehen, also Dinge zu tun, die aussergewöhnlich sind, jenseits bekannter Grenzen liegen und ein Risiko einschliessen.
- Für 28 Prozent bedeutet Mut, ihre Ängste zu überwinden oder ihre Komfortzone zu verlassen. Dabei steht die innere Gefühlslage im Vordergrund.
- 25 Prozent setzen Mut mit Zivilcourage gleich, also wenn jemand für andere Menschen oder seine Werte einsteht.
- Und schliesslich sind 17 Prozent der Befragten der Meinung, dass Mut bedeute, zu sich selber zu stehen.
Welche Handlung oder welches Verhalten besonders viel Courage brauche, sei sehr individuell, betont Dr. phil. Andreas Dick, Psychotherapeut, Fachpsychologe für Psychotherapie FSP und Autor des Sachbuchs «Mut – Über sich hinauswachsen». Dies hänge ab von der Persönlichkeit, der Entwicklung, den Erfahrungen und den Lebensumständen. «Eines ist jedoch uns allen gemeinsam: Wir alle haben den einen oder anderen Bereich, in welchem wir unsicher sind.» Dementsprechend gaben drei Viertel der durch sotomo befragten Personen an, dass sie in einem oder mehreren Bereichen gerne entschlossener wären. Mehr Risikobereitschaft wünschten sich die Befragten insbesondere in Beziehungsfragen (30 %), beim Sport und bei Outdooraktivitäten (21 %) sowie im Arbeitsleben (20 %).
Persönlicher Lebensentscheid als mutigste Tat
Einen interessanten Unterschied zeigte die Studie bei den Fragen auf, was im bisherigen Leben am meisten Mut verlangte und wofür bisher der Mut gefehlt hat. Die Antworten auf die erste Frage bildeten ein breites Spektrum an beherzten Taten ab. Am häufigsten genannt wurden eine Trennung oder Scheidung (9 %), Kinder haben (8 %) und ein Berufswechsel (7 %). Gefehlt hat die Courage hingegen fürs Reisen (13 %), für einen Fallschirmsprung (11 %), ein Leben im Ausland und einen Bungee-Sprung (je 7 %). Während also das Abenteuer eher eine Sehnsucht darstellt, werden im Rückblick vor allem persönliche Lebensentscheide mit Mut verbunden.
Schwierige Situationen gezielt angehen
Sich mit den eigenen Ängsten auseinanderzusetzen, sei oftmals lohnenswert, sagt Andreas Dick. «Diese sind ein guter Hinweis dafür, in welchen Bereichen es vielleicht gut wäre, etwas beherzter zu sein.» Bei schwierigen Entscheidungen rät er, sich die folgenden Fragen zu stellen: Ist es klug oder handle ich voreilig? Handle ich nach meinem freien Willen oder werde ich zu etwas gedrängt? Was hoffe ich zu erreichen und was kann ich gewinnen? Ziele ich auf etwas Gutes oder sind meine Motive rein egoistisch? Dass es nicht immer leichtfalle, entschlossen zu handeln, sei verständlich, sagt der Experte. «Mut ist ein sehr gemischtes Gefühl. Wir müssen kurzzeitig ein Risiko eingehen oder etwas Widerwärtiges ertragen, um längerfristig etwas zu verbessern.» Wer dies vermeide und immer den Weg des geringsten Widerstands wähle, gehe jedoch auch ein Risiko ein: «Wenn die Entwicklung zum Stillstand kommt, wird es schwierig, die eigenen Wünsche und Hoffnungen zu erfüllen.»
1) Mut in der Schweiz. Studie der Forschungsstelle sotomo im Auftrag der Allianz Suisse. Februar 2018. Es wurden 12'934 Personen im Alter von 18 bis 70 Jahren befragt und die Resultate anschliessend re1präsentativ gewichtet.