Wie gehen wir mit Stress um?
«Das Leben stellt uns alle immer wieder vor Herausforderungen, die uns belasten. Wie wir diese bewältigen, ist jedoch von Mensch zu Mensch und je nach Situation verschieden», sagt Martina Binder. Sie ist Entspannungstrainerin und Kursleiterin von Evivo, einem Programm der Stiftung Careum für chronisch kranke Menschen.
Wie entstehen Stresssituationen?
Noch einen Schritt weiter geht Prof. Urs Gerber, Psychotherapeut und Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz: «Auch was wir als Stress oder als Belastung empfinden, kann stark variieren. Dies hängt davon ab, wie wir eine Situation bewerten und über welche Ressourcen oder Handlungsmöglichkeiten wir verfügen », erklärt er und verweist auf das sogenannte Transaktionale Stressmodell des amerikanischen Psychologen Richard Lazarus.1 So freuen sich beispielsweise manche Menschen, wenn sie bei der Arbeit eine schwierige Aufgabe erhalten, für andere hingegen bedeutet es puren Stress.
Drei Arten der Stressbewältigung
«Um belastende oder bedrohliche Situationen zu überstehen, greifen Menschen auf verschiedene Bewältigungsstrategien zurück», erklärt Urs Gerber. Lazarus unterscheide in seinem Modell drei Arten der Stressbewältigung, des sogenannten Coping (von Englisch «to cope with»; «bewältigen, überwinden»):
- Beim problemorientierten Coping wollen Betroffene durch direkte Handlungen oder durch das Unterlassen einer Handlung das Problem überwinden. Dies geschieht beispielsweise, wenn eine Patientin nach Informationen sucht, um ihre Krankheit besser zu verstehen, oder wenn ein Arbeitnehmer sich weiterbildet, um berufliche Herausforderungen besser bewältigen zu können.
- Beim emotionsorientierten Coping verbessern Betroffene ihre Gefühlslage. Dies ist beispielsweise möglich durch Ablenkung, Entspannung oder Achtsamkeitstraining (siehe Kasten).
- Beim bewertungsorientierten Coping bewerten Betroffene die Situation neu und setzen so zusätzliche Energie frei. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Frau eine Meinungsverschiedenheit mit einem Freund nicht mehr als grossen Konflikt sieht, sondern als Möglichkeit, die Freundschaft durch Diskussionen zu vertiefen.
Üben, bevor es ernst wird
Welche Bewältigungsstrategie in welcher Situation hilfreich sei, müsse jede und jeder für sich selbst herausfinden, sagt Urs Gerber. Insbesondere emotionsorientierte Bewältigungsstrategien liessen sich trainieren, ergänzt Martina Binder. «Damit diese auch in fordernden Situationen funktionieren, sollten wir bereits in entspanntem Zustand herausfinden, was uns guttut – und dies auch üben.»
1) Lazarus, R. S., & Launier, R. (1981). Stressbezogene Transaktionen zwischen Person und Umwelt.
In Nitsch J. R. (Hrsg.), Stress. Theorien, Untersuchungen, Massnahmen. Bern: Huber.