Zum Znacht bei Fremden
Ein akustisches Signal zeigt an, dass eine Person der Videokonferenz beigetreten ist. Auf dem Bildschirm erscheint ein neues Fenster; eine ältere Frau mit kurz geschnittenen, grauen Haaren blickt konzentriert in die Kamera. Als sie realisiert, dass die Verbindung steht, lehnt sie sich leicht zurück, auf ihrem Gesicht breitet sich ein Lächeln aus. «Ich bin Videokonferenzen noch nicht so gewöhnt», sagt Marianne Mutti, «aber es wird von Mal zu Mal besser.»
«Ich bin zufrieden»
Marianne Mutti leidet an der chronisch obstruktiven Lungenkrankheit COPD. Vor gut acht Jahren, kurz nach ihrer frühzeitigen Pensionierung, bemerkte sie, dass sie auch bei geringen Anstrengungen zunehmend ausser Atem geriet. «Ich hatte zwar einige Jahre davor mit dem Rauchen aufgehört. Dennoch war für mich rasch klar, dass es da einen Zusammenhang gibt», sagt Marianne Mutti. Seit nunmehr drei Jahren ist sie auf eine konstante Sauerstoffzufuhr angewiesen.
Die Lungenliga Solothurn unterstützte sie bei der Auswahl der Geräte und half ihr, die Therapie in den Alltag zu integrieren. «Ich habe mich gut daran gewöhnt und kann trotz COPD eigentlich alles machen, was ich möchte. Ich bin zufrieden», sagt Marianne Mutti. Zudem schätzt sie die jährlichen Hausbesuche durch eine Beraterin. «Ich fühle mich sehr gut betreut, und wenn ich Fragen habe, kann ich mich jederzeit bei der Lungenliga melden.»
Virtuelles Angebot getestet
Auch vom Kursangebot der Lungenliga hat die Seniorin bereits Gebrauch gemacht. Nach einer Lungenentzündung im Jahr 2015 absolvierte sie ein Rehabilitationsprogramm für Menschen mit Lungenkrankheiten, die sogenannte pulmonale Rehabilitation. Um die positive Wirkung aufrechtzuerhalten, besuchte sie anschliessend das Nachfolgeprogramm, auch diverse andere Kurse hat sie bereits gemacht. Als im Zuge der Corona-Pandemie und des Lockdowns in der Schweiz alle physischen Kurse abgesagt wurden, entschloss sich Marianne Mutti, das virtuelle Angebot der Lungenliga Solothurn auszuprobieren und meldete sich für den Kurs «Atmen und Bewegen» an. Bei der Installation der nötigen Software hätten sie die Lungenliga Solothurn sowie ihr Mann unterstützt. «Es klappte alles recht gut – bis auf einige Unterbrüche. Denn hier oben ist die Verbindung nicht immer stabil», sagt Marianne Mutti und blickt sich um. Im Hintergrund sind die Holzpaneele der Dachschräge zu erkennen, durch das Dachfenster dringt gedämpftes Licht. Sie sei froh um das zusätzliche Angebot. «Gerade bei Regenwetter ist es mir recht, wenn etwas läuft, und der Kurs bringt mir viel. Aber ersetzen kann das virtuelle Treffen den direkten Kontakt nicht.»
Camper, Segelboot und Lastwagen
Ist der Alltag nicht von Corona bestimmt, sind soziale Kontakte nämlich ein essenzieller Bestandteil im Leben von Marianne Mutti und ihrem Mann Meinrad. Neben Besuchen bei Freunden und Verwandten ist es ihre grosse Leidenschaft, die sie immer wieder auf neue Personen aus ganz Europa treffen lässt: das Campen. «Auf den Campingplätzen herrscht eine ganz besondere Atmosphäre. Es gibt weniger Hemmungen, fremde Leute anzusprechen», erzählt Marianne Mutti. 15 bis 17 Wochen sind die beiden pro Jahr mit dem Wohnmobil unterwegs. Die Mecklenburgische Seenplatte gefällt ihnen sehr gut, auch in Italien, Frankreich, Spanien, Portugal und Kroatien waren sie schon. Damit die Sauerstoffzufuhr auch in den Ferien sichergestellt ist, haben sie einen Spannungswandler in ihrem Fahrzeug eingebaut. Dieser ermöglicht den Betrieb des stationären Sauerstoffkonzentrators sowie das Aufladen der Batterien für das portable Gerät. Dieses braucht Marianne Mutti, wenn sie und Meinrad Mutti tagsüber auf Wanderungen oder auf dem E-Bike die Umgebung entdecken.
Abends sitzen sie dann oft mit den neu gemachten Bekanntschaften bei einem Imbiss oder einem Glas Wein zusammen. «Auf den Campingplätzen lädt man einander schnell einmal zu sich ein. So haben wir schon einige gute Freunde gefunden», sagt Marianne Mutti und es fällt leicht, ihr dies zu glauben. Wenn sie spricht, erzählt sie in einem angenehmen Tempo, ohne grosse Abschweifungen. Ihr Solothurner Dialekt mit den weichen «d» verleiht dem Gesagten einen wohligen Klang. Und sie hat viel Spannendes zu berichten. Zum Beispiel, wie sie nach einer Lehre als Verkäuferin die Lastwagenprüfung absolvierte und während einiger Jahre für ein Baugeschäft in Biel arbeitete – als einzige Frau weit und breit. Oder wie sie während zwanzig Jahren segelte, dann jedoch plötzlich Lust hatte, näher an die Leute zu gelangen, und das Segelboot gegen den Camper eintauschte.
«Fast ein bisschen genossen»
Dass die Corona-Pandemie die Ferienpläne von Marianne und Meinrad Mutti etwas durcheinanderbringt, nehmen die beiden nicht tragisch. Sie seien diesen Frühling seit 13 Jahren das erste Mal zu Hause gewesen und während des Lockdowns hätten sie viel Zeit gehabt, um den Garten ihres Einfamilienhauses auf Vordermann zu bringen und ihre geliebten Kriminalromane zu lesen. «Eigentlich habe ich diese Zeit fast ein bisschen genossen», gesteht Marianne Mutti mit einem Augenzwinkern.
Dennoch ist sie froh, wenn die Normalität wieder zurückkehrt und sich ihre sozialen Kontakte nicht mehr nur auf Telefonate und den Schwatz mit den Nachbarn über den Gartenzaun hinweg beschränken. «Ein Znacht mit Freunden, das Fahrradfahren und das besondere Gefühl der Freiheit beim Campen haben mir doch gefehlt.»