«Ich bin sicher, dass der Kopf den Körper beeinflusst»
In den ersten Jahren ihres Lebens waren die Eltern von Laura Wunderlin oft ratlos. Das Anfang 2000 geborene Mädchen hustete häufig, war ständig krank und nahm kaum zu. Licht ins Dunkel brachte ein Schweisstest, der im Alter von etwa drei Jahren gemacht wurde: Der Salzgehalt war deutlich erhöht, ein typisches Zeichen für die vererbbare Stoffwechselerkrankung Cystische Fibrose (siehe Kasten).
Unbeschwerte Kindheit
Die Diagnose und die darauffolgende Behandlung brachten Erleichterung. «Als Kind führte ich ein recht normales Leben», erzählt Laura Wunderlin. Dies, obwohl das mehrmalige tägliche Inhalieren ebenso zu ihrem Alltag gehörte wie spezielle Übungen, um den zähen Schleim in den Bronchien zu lösen. Schwieriger wurde es ab der 6. Klasse: Die Infekte häuften sich, mehrtägige Spitalaufenthalte waren keine Seltenheit. Neben ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester war für Laura Wunderlin ihre beste Freundin aus Kindertagen, Naomi Probst, eine grosse Stütze. «Wir machten sehr viel gemeinsam, übrigens auch heute noch. Dies gab mir grosses Vertrauen. Sie brachte mir jeweils die Hausaufgaben und war mein Kontakt zur Aussenwelt», erzählt sie.
Optimismus liegt in der Familie
Laura Wunderlin überlegt nicht lange, bevor sie eine Antwort gibt. Oft hat sie dabei ein leises Lächeln auf den Lippen. Dass sie so positiv mit ihrer Erkrankung umgeht, scheint für sie nichts Besonderes zu sein. «Meine ganze Familie ist sehr optimistisch eingestellt, das überträgt sich auch auf mich. Und es funktioniert fast immer», sagt sie und ihr Lächeln wird breiter. Dennoch verschweigt sie nicht, dass sie auch schwierigere Zeiten hinter sich hat.
Eine rosarote Küchenmaschine
Zum einen war da die Corona-Pandemie, die dazu führte, dass sich Laura Wunderlin ein Jahr lang stark isoliert hat. Mit Ausnahme einiger
Spaziergänge und Picknicks im Sommer mit Freundinnen sah sie in dieser Zeit niemanden ausser ihrer Familie. Zum anderen ging es ihr gesundheitlich nicht gut. Die Cystische Fibrose hatte ihre Lunge so stark geschädigt, dass sie immer öfter zusätzlichen Sauerstoff brauchte. «Die ganze Situation war schon mühsam», sagt sie, schiebt aber sofort nach: «Langweilig wurde mir nie. Wir haben unsere Hochbeete bepflanzt mit viel Gemüse – Salat, Tomaten, Lauch, Romanesco und Blumenkohl in Grün, Gelb und Rosa. Ich habe ausgemistet und neue Backrezepte ausprobiert – ich hatte immer etwas zu tun. Und da ich so langsam war, habe ich mir zur Entlastung eine rosarote Küchenmaschine gegönnt. Nun macht das Backen noch mehr Spass», sprudelt es aus ihr heraus, sodass es schwerfällt, zu glauben, dass sie bei körperlichen Aktivitäten besonders langsam war.
Eine Spenderlunge zum Jahresabschluss
Dass Laura Wunderlin nun wieder genügend Energie hat, um von ihren Hobbys zu schwärmen, ist ihrer neuen Lunge zu verdanken. Ende 2020 erhielt sie die Nachricht, dass eine Spenderlunge für sie bereit ist. Einen Tag später wurde sie operiert. Etwas Angst sei schon dabei gewesen, sagt sie. Die Freude, dass es nun endlich losgehe, habe aber überwogen. «Ich habe mir gesagt, dass es schon gut kommt. Und ich bin sicher, dass der Kopf den Körper beeinflusst.»
«Wie Tag und Nacht»
Das Ergebnis scheint ihr recht zu geben. «Es ist wie Tag und Nacht, komplett anders», sagt sie und strahlt. Musste sie vor der Transplantation jeden Tag drei bis vier Mal inhalieren, macht sie dies jetzt drei Mal pro Woche prophylaktisch. Sauerstoff braucht sie keinen mehr und das ständige «Chrosen» in der Lunge ist weg, ebenso wie die Hustenanfälle. Sechs bis sieben Mal pro Tag hustete sie zuletzt bis zur Erschöpfung. Für Aussenstehende sei dies beängstigend gewesen, für sie selbst vor allem mühsam. Habe sie unterwegs einen Anfall erlitten, sei nämlich nicht nur das Starren unangenehm gewesen, sondern auch die nett gemeinten Hilfsangebote. «Vor lauter Husten konnte ich während eines Anfalls unmöglich antworten.»
Ein neues Ziel
Bereits vor der Corona-Pandemie musste Laura Wunderlin ihren Job als Dentalassistentin kündigen. Die Infektionsgefahr durch den direkten Kontakt mit Patientinnen und Patienten war zu gross. Als sie die Corona-Pandemie auch noch zwang, ihren Bürojob aufzugeben, half ihr die Lungenliga beider Basel, die sie auch bei Fragen zur Krankheit und bei ihrer Therapie unterstützt, einen Antrag auf eine IV-Rente und Ergänzungsleistungen zu stellen. Bald möchte Laura Wunderlin auch wieder selbst Geld verdienen. Deshalb nutzt sie die neu gewonnene Energie sowie die freie Zeit, die sie aufgrund der Krankschreibung hat, gezielt. Per Fernunterricht bildet sie sich zur medizinischen Sekretärin weiter. Diese Weiterbildung soll ihr auch helfen, ihrem nächsten Ziel einen grossen Schritt näher zu kommen: In ein, zwei Jahren möchte sie ihr Kinderzimmer mit der violetten Wand verlassen und in ihre erste eigene Wohnung ziehen.